Die Vasektomie oder auch einfach Sterilisation beim Mann könnte schon bald durch eine neue Erfindung der Vergangenheit angehören. Der deutsche Tischler und Erfinder Clemens Bimek ermöglicht es Männern, durch einfaches Umlegen des “Spermien Schalters” ihre Fruchtbarkeit im Inneren des Hodensacks zu steuern. Einige Urologen sind skeptisch, andere sprechen von einer medizinischen Revolution.
Die Geschichte von Clemens Bimek ist eine, bei der man staunt und sich zugleich wundert. Es ist auch eine Geschichte, die dem Zuhörer Respekt abringt für Bimeks Beharrlichkeit und seinen Willen. Weil er an seine Idee glaubt. Sie begann vor dem Fernseher, irgendwann Ende der 90er Jahre in einem Vorort von Berlin. Nach einem harten Tag auf dem Bau sass Bimek erschöpft vor dem Fernseher und schaute eine Doku über Verhütung. Es lief gerade nicht so gut in seinem Job. Die Aufträge waren rar. Und in seinem gelernten Beruf als Möbeltischlermeister sah es noch schlechter aus. In der Doku wurde die Anatomie des Mannes erklärt: Wie die Spermien in den Hoden gebildet werden, durch die Nebenhoden und die beiden Samenleiter Richtung Harnröhre fliessen und sich mit dem Ejakulat vermischen. Und wie bei der sogenannten Vasektomie, der Sterilisation, die Samenleiter durchtrennt werden. Eine Operation, die die Zeugungsfähigkeit oft unwiederbringlich beendet.
Bimeks erster Gedanke, als er die Schemazeichnung sah: Warum baut man nicht einfach jeweils ein Ventil in beide Samenleiter ein? Der Gedanke kreiste fortan in seinem Kopf. Vermutlich hätte er das so lange getan, bis er irgendwann verschwunden wäre, wenn Bimek auf seinem Weg zur Arbeit nicht täglich am Berliner Patentamt in Kreuzberg vorbeigefahren wäre. Immer wenn er dort vorbeikam, dachte er wieder an das Ventil. Und daran, dass sicher schon jemand vor ihm dieselbe Idee gehabt haben muss. Irgendwann hielt er schliesslich an und fragte nach. Ein Patent für einen Samenleiterventil gebe es nicht, teilten ihm die Beamten mit. “So hat alles angefangen”, sagt Bimek.
So fing er an zu tüfteln und Fachliteratur zu wälzen, informierte sich bei Medizintechnikunternehmen über mögliche Materialien für ein Ventil. Um den Durchmesser der Ventilanschlüsse planen zu können, fragte er sogar bei Pathologen nach, ob er nicht die Samenleiter eines Toten haben könnte – ohne Erfolg. Auch aus der urologischen Fachwelt gab es reichlich Kopfschütteln für den umtriebigen Tischler. “Viele Ärzte, die ich um Rat gefragt habe, haben mich nicht ernst genommen. Aber es gab auch einige, die mich ermutigt haben, weiter zu tüfteln und die mich mit Fachwissen unterstützt haben”, sagt Bimek. Je länger er nachforschte und las, umso weniger Gründe fand er, die gegen seine Idee sprachen. Schliesslich meldete er tatsächlich ein Patent an. Im Jahr 2000 wurde die “Absperrvorrichtung zur Kontrazeption zur Anwendung beim Mann” genehmigt. 2006 baute er den ersten Prototyp. Das Bimek SLV soll in einer knapp halbstündigen Operation – ähnlich wie bei einer Vasektomie – in beiden Samenleitern eingesetzt werden können. In geschlossenem Zustand unterbindet es den Fluss der Spermien – der Mann ist steril, kann aber beim Sex mit einer Frau ganz normal ejakulieren. Will er ein Kind zeugen, legt er an den Ventilen einen Schalter um, den er unter der Haut in seinem Hodensack ertasten kann. Nun ist er sofort zeugungsfähig. Bimek beteuert, dass es für den Ventilträger zu keinerlei Beschwerden kommen soll. Weder sei die Libido eingeschränkt noch komme es zu sonst irgendwelchen negativen gesundheitlichen Folgen. Dazu sollen weder das zwei Gramm schwere Ventil von der Grösse eines Gummibärchens noch der Schalter zu spüren sein.
Argumente für den Nutzen seiner Entwicklung gibt es genug: Verhütung sei nicht mehr länger nur Frauensache – über die Hälfte aller Erwachsenen setzten bei der Verhütung auf die Pille. Ein entsprechendes Produkt für den Mann hat es bisher nicht zur Marktreife gebracht. Zudem müssten sich Frauen nicht länger mit der hormonellen Belastung der Pille herumschlagen, die viele schlecht vertragen. Das täte auch der Umwelt gut. Denn bisher werden hormonelle Rückstände, die über den Urin in den Wasserkreislauf gelangen, nicht von Kläranlagen herausgefiltert. Das führt zu starken Gewässerverunreinigungen. Die Kosten für die Pille, Kondome oder andere Verhütungsmittel würden sich bei einem Ventil irgendwann amortisieren. Das Bimek SLV soll ein Leben lang halten – ist nach bisherigem Stand mit einem Preis von voraussichtlich 3000 Euro aber nicht günstig. Die Kosten bei einer Serienfertigung dürften aber deutlich darunter liegen.